Klein, aber fein

Als Nachfolger der Vogelmodelle Star und Habicht kam 1975 erstmals das Kleinkraftrad S50 auf den Markt, von dem bis 1980 knapp 600.000 Stück gebaut wurden. Gefertigt von dem VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk „Ernst Thälmann“, verkauft unter dem Markennamen Simson und designt von Karl Clauss Dietel und Lutz Rudolph war die S50 ein völlig neu konstruiertes Kleinkraftrad, dessen sportliches und modernes Aussehen besonders bei den Jugendlichen in der DDR begehrt und beliebt war. Zudem überzeugte die S50 durch eine einfache, sehr anspruchslose Technik, ein hervorragendes Fahrwerk und die für ein Kleinkraftrad große Reichweite von über 300 km, die auch im Soziusbetrieb erreicht werden konnte – und das bei einer Dauergeschwindigkeit von 60 km / h und auf ebener Strecke auch gerne mal 70 km/h.

Als Weiterentwicklung des in der Schwalbe und dem Star verwendeten 50-cm³-Zweitaktmotors war der Motor der S50 mit der Bezeichnung M53/2KF (mit KF= Kickstarter & Fußschaltung) auf eine Grenznutzungsdauer von 25.000 km ausgelegt und unterschied sich vom M53/1KF hauptsächlich durch die Fahrtwindkühlung, die Motoraufhängung und das obere Pleuellager (statt einem Gleitlager mit Bronzebuchse wurde ein Nadellager verwendet, um anstatt 1:33 das weniger umweltschädliche Öl-Benzin-Gemisch von 1:50 fahren zu können). Die Lichtmaschine der S50-Modelle S50N, S50B, S50B1 und S50B2 besitzt je drei Spulen, die von einem auf der Kurbelwelle befestigten Schwungrad mit sechs Permanentmagneten umkreist werden. Derart versorgen die Spulen die Zündung, den Scheinwerfer und das Stopplicht und bei Bedarf das Rücklicht, und wenn diese nicht leuchten, die Batterie (außer beim S 50 N). Erstmalig bei Kleinkrafträdern wurde in der B2-Baureihe auch eine kontaktlose Zündanlage eingesetzt. Die elektronische Zündanlage – SLEZ (Schwunglichtelektronikzündung) ist eine vollelektrische und damit wartungsfreie Hochspannungskondensatorzündung, deren Funktionsprinzip einen Zündspannungsaufbau in 1/10 der üblichen Zeit ermöglicht, sodass Feuchtigkeit oder Temperaturschwankungen keinerlei negative Auswirkungen haben. Zudem ist die Zündanlage verschleißfrei und erlaubt in Kombination mit hohen Zündspannungen (bis 30 kV) Kerzenlaufleistungen von 20.000 km, weil der Zündfunken durch einen, an einem Impulsgeber entlang rotierenden, Magneten ausgelöst wird.

Dass eine lange Lebensdauer und Materialökonomie bei der S50 eine wichtige Rolle spielen, zeigt auch die Tatsache, dass bei der S50 verschlissene Zylinderlaufbuchsen (Durchmesser im Neuzustand: 40 mm) bis zu sechs Mal in 0,25 mm-Schritten ausgeschliffen werden und dann mit einem dazu passenden neuen Kolben wieder eingesetzt werden konnten. Zudem können Kurbelwellen, Bremsbacken und sogar Zündkerzen regeneriert werden. Neben vielen Vorteilen hatte die S50 jedoch auch mit einigen Mankos zu kämpfen. So war sie mit nur drei Gängen erhältlich, obwohl es den Habicht zuvor bereits mit vier Gängen gegeben hatte. Zudem war der Drehmomentverlauf des Motors noch nicht optimiert und dadurch kam die S50 bei Gegenwind oder an Steigungen schnell an ihre Grenzen, wenn zwei Personen drauf saßen. Auch kam es bei stark eingeschlagener Lenkung häufig zu Brüchen der auf Biegung beanspruchten Tachowelle, beim kompletten Einfedern der Teleskopgabel trat Öl aus und das Steuerteil der elektronischen Zündung, welches sehr teuer und nicht zu reparieren war, sondern nur ersetzt werden konnte, neigte zum Totalausfall. Nichtsdestotrotz wurde während der Produktion an den S50-Modellen nur wenig geändert. 1978 wurde allerdings ein neu geformter 8,7 Liter Tank eingeführt, der aufgrund seiner Form bis heute als Bananentank bekannt ist.

Erhältlich in den Varianten S50N, S50B, S50B1 und S50B2, ist die ausschließlich in blau erhältliche S50N die leichteste Variante, die vor allem für den Einsatz in Gegenden mit geringem Verkehrsaufkommen (Land - und Forstwirtschaft) konzipiert wurde. Sie besitzt nur eine schlichte elektrische Anlage (keine Blinker, kein Zündschloss, innenliegende Zündspule), eine Halterung für vier Monozellen für die Hupe, da die Lichtmaschine nur Wechselstrom liefert und die Soziusfußrasten sind direkt an der Schwinge befestigt. Ein Bleiakku fehlt. Obwohl die S50B bereits mehr Komfort bietet und über ein Zündschloss sowie eine Vier-Leuchten-Blinkanlage mit Bleiakku (6 V/12 Ah) und Ladeeinrichtung verfügt, wurde diese Variante ab 1976 durch die Modelle B1 und B2 ersetzt. Aufbauend auf der S50B verfügt die S50B1 über ein Standlicht, eine Lichthupe, 25-W/25-W-Fahrlicht und eine außenliegende Zündspule. Die S50B2 besitzt zudem eine elektronische Zündung, sowie einen 6-V-35-/35-Watt-Scheinwerfer. Farbtechnisch waren die S50B-Varianten in den Farben schwefelgelb (ursprüngliche Bezeichnung: rapsgelb), kirschrot, saharabraun oder saftgrün erhältlich und dürfen in Deutschland bis heute trotz der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h als Kleinkraftrad mit einem Versicherungskennzeichen zulassungsfrei – und in einigen Bundesländern bereits mit 15 Jahren – gefahren werden (Führerscheinklasse AM).